Kinder im Visier der Lebensmittelwerbung
Einfache Slogans, bunte Bilder, unterhaltsame Geschichten: Die Aufmachung und Werbung spezieller „Kinderlebensmittel“ ist eigens auf die Zielgruppe zugeschnitten. Kinder können sich der Werbung noch weniger entziehen als Erwachsene. Dabei bestimmen sie entscheidend mit, was im Einkaufskorb landet – oft noch bevor sie über eigenes Geld verfügen. Sobald sie ein eigenes Taschengeld erhalten, werden sie als Zielgruppe für Lebensmittelanbieter noch interessanter.
Bunt und schön: Kinderlebensmittel
Typische Merkmale der so genannten Kinderlebensmittel sind:
- Kinder ansprechende, bunte Aufmachung,
- kindgemäße Portionierung,
- besondere Form des Produkts, z.B. als Tierfigur,
- Verwendung des Begriffes „Kids“ oder „Kinder“ im Produktnamen,
- Spielbeigaben,
- Rätsel oder Gewinnspiele auf der Verpackung und/oder
- an Kinder gerichtete Werbung im Fernsehen oder auf Internetseiten der Anbieter
- Online-Spiele im Internet.
Kinderlebensmittel fallen unter die gleichen lebensmittelrechtlichen Vorschriften wie „normale“ Lebensmittel. Besondere Rechtsvorgaben für den Nährstoffgehalt der Kinderlebensmittel gibt es nicht. Einzige Ausnahme sind Säuglings- und bestimmte Kleinkindprodukte, die der EU-Verordnung über Lebensmittel für besondere Zwecke unterliegen.
Gesundheitsargumente für Eltern
Bei der Werbung für Kinderlebensmittel fahren viele Anbieter zweigleisig: Mit Comics, Stickern, Sammelfiguren und auffälliger Verpackung locken sie ihre jungen Kunden. Den Eltern vermittelt Werbung hingegen einen besonderen gesundheitlichen Nutzen für die Kinder und weist zum Beispiel auf die "Extraportion Kalzium" oder das "Plus für eine ausgewogene Ernährung" hin. Dafür werden die Produkte nicht selten mit Mineralstoffen und Vitaminen angereichert.
Oft sparen sich Werbetreibende umfangreiche Erklärungen und lassen Bilder sprechen: Die beworbenen Produkte werden in eine harmonische, glückliche und gesundheitsförderliche Umgebung eingebettet und zusammen mit gesunden Lebensmitteln – Vollkornbrot, Milch, Obst oder Gemüse – präsentiert. Auch Experten oder Prominente werden eingebunden, die kompetent und glaubwürdig wirken und Qualität oder Sinnhaftigkeit des Produkts unterstreichen sollen.
Kinder entwickeln Markenbewusstsein bei Lebensmitteln
Gerade jüngere Kinder sind oft noch nicht in der Lage, Werbung von anderen Informationen zu unterscheiden. Und auch viele Schulkinder betrachten Werbung weitaus weniger kritisch als Erwachsene. Erst im Grundschulalter lernen Kinder allmählich die Ziele von Werbung zu durchschauen.
Die ausgestrahlten Spots entsprechen oft dem kindlichen Auffassungsvermögen: Kurze Geschichte, leicht verständliche Sprache, einprägsame Musik. Kinder erinnern sich daher sehr gut an Werbespots, merken sich Markenlogos und nutzen Werbung als Informationsquelle. Sie finden Werbung witzig und unterhaltsam. Die KidsVerbraucherAnalyse 2015 zeigt, dass rund die Hälfte der Kinder bei süßen Brotaufstrichen, Limo und Cornflakes Wert auf eine bestimmte Marke legt.
Zusätzlich beworbene Internetseiten, Gewinnspiele, Sammelkarten oder -figuren tragen dazu bei, dass ein Produkt dauerhaft im Gedächtnis bleibt und immer wieder auf dem Einkaufszettel landet.
Gesundheitswerbung: wichtige Regelung immer noch nicht umgesetzt
Nicht selten reichern Lebensmittelhersteller Süßwaren, Snacks und andere kalorienreiche Lebensmittel mit Vitaminen und Mineralstoffen an und verpassen ihnen damit einen „gesunden Anstrich“.
Eine neue Regelung hierfür ist noch nicht umgesetzt worden: Laut Health-Claims-Verordnung sollen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben wie „Calcium für starke Knochen und ein gesundes Wachstum“ nur dann erlaubt sein, wenn das beworbene Lebensmittel ein vorgegebenes Nährwertprofil aufweist. Ist ein Lebensmittel sehr zucker- und fettreich, so dass es diese Vorgabe nicht erfüllt, ist auch die Werbung mit der Gesundheit verboten.
Wie die Nährwertprofile aussehen werden, ist im Detail aber noch nicht geklärt. Der Prozess der Prüfung der Nährwertprofile dauert noch an, soll aber im Laufe des Jahres 2018 abgeschlossen werden. So ist weiterhin unklar, wann die Profile kommen oder ob sie wieder aus der Health-Claims-Verordnung gestrichen werden.
Einschätzung der Verbraucherzentrale
Grundsätzlich benötigen Kinder keine speziellen Lebensmittel. Unserer Einschätzung nach richten sich Kinderlebensmittel weniger nach dem Nährstoffbedarf der Kinder, sondern im Wesentlichen nach deren Geschmacksvorlieben. Häufig sind diese Produkte im Vergleich zu herkömmlichen Lebensmitteln deshalb süßer und fettreicher.
Dass Kinderlebensmittel teilweise mit Vitaminen oder Mineralstoffen angereichert und als besonders gesund dargestellt werden, kann Eltern zum Kauf der Produkte verleiten. Insbesondere bei fett- oder zuckerreichen Lebensmitteln ist dies nicht wünschenswert. Die ursprünglich geplanten Nährwertprofile könnten die Werbung mit einem gesundheitlichen Mehrwert bei fett- oder zuckerreichen Lebensmitteln verhindern. Sollten die Nährwertprofile vollständig entfallen, würde der Health-Claims-Verordnung ein zentraler Grundsatz genommen. Ohne diese Profile können Hersteller – wie derzeit praktiziert – auch Fett- und Zucker"bomben" mit Vitaminen und Co. anreichern und ihnen so einen gesunden Anstrich verpassen.
Werbung für Kinderlebensmittel sehen wir generell kritisch. Zwar hat der Deutsche Werberat Verhaltensregeln für Anbieter von Kinderprodukten veröffentlicht. So soll an Kinder gerichtete Werbung beispielsweise keine direkte Kaufaufforderung enthalten. Auch die Lebensmittelindustrie selbst hat europaweit gültige Selbstbeschränkungen festgelegt.
Dennoch richten sich die Marketingstrategien der Firmen auch an Kinder und werden ihre Wirkung nicht verfehlen.
Hinweis: Unsere Kurzmeldungen geben grundsätzlich den Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Sie werden in der Regel nicht aktualisiert.
Der leichtsprachliche Text wurde übersetzt von:
Isabella von Luxburg,
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